Wie das klinische Datenmanagement fehlende Daten durch Imputation ersetzt
Erstellt am: 22.07.2021
In der klinischen Forschung sind fehlende Werte in Studien keine Seltenheit. Die Ursachen für solche Lücken in den Daten sind vielfältig und oft unvermeidbar. Für ein effektives klinisches Datenmanagement ist es daher essenziell, mit diesen fehlenden Informationen sinnvoll umzugehen. Die sogenannte Imputation spielt hierbei eine zentrale Rolle – sie ermöglicht es, statistisch belastbare Ergebnisse trotz unvollständiger Datensätze zu erzielen.
Was bedeutet Imputation im klinischen Datenmanagement?
Im Rahmen des Datenmanagements werden bei der Imputation fehlende Daten durch Werte ersetzt, die mithilfe eines Imputationsmodells zufällig gezogen werden. Diese werden anschließend einem Analysemodell übergeben. Ziel ist es dabei nicht, reale Werte nachzubilden, sondern die imputierten Daten innerhalb der Analyse so agieren zu lassen wie tatsächliche Beobachtungen.
Da niemand mit Sicherheit sagen kann, wie die fehlenden Daten tatsächlich ausgesehen hätten, führt jede Imputation zwangsläufig zu einer gewissen Datenverzerrung. Ziel ist es jedoch, dieser Verzerrung durch passende Methoden entgegenzuwirken und so realitätsnahe Ergebnisse zu liefern – ein entscheidender Aspekt im klinischen Datenmanagement und bei der wissenschaftlichen Analyse medizinischer Fragestellungen.
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Arten fehlender Daten in klinischen Studien
Bevor ein geeignetes Verfahren zur Imputation gewählt werden kann, müssen die fehlenden Werte – auch „missing data“ genannt – klassifiziert werden. In der klinischen Forschung unterscheidet man drei Haupttypen:
- Missing Completely at Random (MCAR): Die fehlenden Informationen sind vollständig zufällig verteilt, z. B. durch verlorene Fragebögen. Weder die betroffene Variable noch andere Variablen beeinflussen das Fehlen.
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Missing at Random (MAR): Das Fehlen hängt von anderen beobachteten Variablen ab. Beispielsweise können geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Beantwortung sensibler Fragen wie zu psychischer Gesundheit auftreten.
- Missing Not at Random (MNAR): Das Fehlen ist von der betroffenen Variable selbst abhängig, etwa bei der Einkommensangabe. Ein Beispiel hierfür ist die Angabe des Einkommens. Je höher das Einkommen einer befragten Person, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie die Frage beantwortet.
Das Erkennen dieser Muster ist eine Kernkompetenz im klinischen Datenmanagement und beeinflusst maßgeblich die Auswahl des geeigneten Imputationsverfahrens.
Imputationsmethoden im klinischen Datenmanagement: Vor- und Nachteile
Ein einfaches, aber häufig genutztes Verfahren ist die Imputation durch Mittelwerte. Diese Methode ist besonders bei kleinen Datensätzen mit numerischen Variablen nützlich. Für kategoriale Daten eignet sich hingegen eher die Imputation durch den am häufigsten vorkommenden Wert (Gleichzeitig besteht jedoch auch die Gefahr einer größeren Datenverzerrung).
Moderne Imputationsverfahren sind geeigneter, da Sie weitere Faktoren berücksichtigen, obgleich sie dadurch komplexer werden. So kann eine Imputation durch k-NN (k-Nearest Neighbors) akkurater ausfallen als die beiden zuvor genannten Methoden. Dabei werden jeweils die k nächsten Nachbarn einer fehlenden Beobachtung, basierend auf weiteren, vorhandenen Variablen, für eine Imputation einbezogen.
Die Herausforderung ist die Festlegung des Parameters k. Ein niedriger Wert für k bestärkt ein sogenanntes Rauschen in den Daten (Unsauberkeiten), wodurch die Ergebnisse weniger generalisierbar werden. Ein zu hohes k führt jedoch dazu, dass lokale Effekte verschwimmen. Auch dies ist problematisch, denn diese Effekte versucht das Verfahren eindeutig zu identifizieren.
Weitere verbreitete Verfahren im klinischen Datenmanagement sind:
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Imputation durch Regression
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Multiple Imputation (z. B. MICE – Multivariate Imputation by Chained Equations)
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Machine-Learning- oder Deep-Learning-basierte Methoden
Gerade bei großen klinischen Studien oder medizinischen Forschungsprojekten mit komplexen Strukturen können moderne Imputationsverfahren wertvolle Dienste leisten – vorausgesetzt, der Aufwand steht in einem sinnvollen Verhältnis zur Verbesserung der Datenqualität.
Denn auch die Komplexität eines Verfahrens zur Imputation bietet Vor- und Nachteile. Obwohl Methoden wie MICE (Multivariate Imputation by Chained Equations) bei entsprechender Spezifikation gute Arbeit leisten, können sie je nach Datenlage und den darauffolgenden Analysen unverhältnismäßig im Aufwand sein. Zeit und Ressourcen werden eingespart, indem ein weniger komplexes Verfahren mit vernachlässigbarer Leistungsreduzierung gewählt wird.
Erfolgreiche Imputation: Ein Zusammenspiel aus Expertise und Analyse
Effizientes klinisches Datenmanagement erfordert die enge Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlichen Experten, Statistikern und klinischen Managern. Nur so kann die Imputation gezielt eingesetzt werden, um wertvolle Erkenntnisse aus unvollständigen Daten zu gewinnen. Besonders bei großen Registerstudien, heterogenen medizinischen Informationen oder Datenquellen ohne konkretes Studiendesign ist Imputation ein wichtiger Bestandteil des Services rund um moderne klinische Studien.
Fachgerechtes Management fehlender Werte ist daher mehr als nur eine technische Aufgabe – es ist ein strategisches Werkzeug, um aus medizinischen Daten neue Einsichten zu gewinnen und die Qualität klinischer Forschung nachhaltig zu verbessern. Durch den gezielten Einsatz von Imputation kann das klinische Datenmanagement einen entscheidenden Beitrag zur Effizienz und Aussagekraft von Studien und zur Versorgung von Patienten leisten.