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Ask Alcedis mit Hanno Härtlein: “Der Patient nimmt eine immer aktivere Rolle ein“

Erstellt am: 05.09.2023

 

Wie werden sich klinische Studien in Zukunft entwickeln und wo liegen die Herausforderungen? Das beantwortet Hanno Härtlein, Geschäftsführer von Alcedis, im Interview.

 

Was sind die Potenziale der nahen Zukunft?

Das Potenzial liegt klar in der fortschreitenden Digitalisierung und der informativen Vernetzung der Menschen. Aktuell entstehen einige technische Plattformen, die einen permanenten Austausch zwischen dezentral entstehenden und gehaltenen Daten ermöglichen. Die Integration von Technologien, wie Smartphones, Apps, sogenannten Lifestyle Wearables und Medical Devices drängen bereits jetzt in die Realität.

Der immer besser informierte und dadurch mündigere Patient rückt in klinischen Studien weiter in den Mittelpunkt. Das erkennt auch die Industrie, weshalb im Rahmen der „patient centricity“ die Patienten und Patientinnen eine immer aktivere Rolle in Studien einnehmen.

Wir reden mittlerweile von einer sogenannten „digital patient journey“, also einer digitalen Reise. Diese beginnt mit der Rekrutierung von Patienten via Social Media über ein rein virtuelles Aufklärungsgespräch. Weiter geht es mit einem „remote self-administered treatment“, also einer Behandlung, die der Patient selber etwa durch ein Video-Tutorial oder unter „virtueller Aufsicht“ bei einem Videoanruf mit einer Study Nurse durchführt.

Oft werden hierfür studienspezifische Apps entwickelt, die neben den aktuellen Standards wie der Lebensqualitätserfassung zusätzlich den Ansatz von Gamification verfolgen. Die Patienten werden spielerisch zum Mitmachen an der klinischen Studie motiviert und vor allem an ihre Behandlung gebunden. Auch die Vernetzung der Patienten untereinander, sogenannte „community platforms“, werden in naher Zukunft stärker zum Einsatz kommen.

 

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Wie sehen klinische Studien in zehn Jahren aus?

Für uns alle spielt der Faktor Zeit eine wichtige Rolle. Zum einen in wirtschaftlicher Hinsicht für die forschenden Unternehmen, und zwar in Form der time-to-market. Immerhin werden pro Jahr allein in Deutschland mehr als 7 Milliarden Euro in die klinische Forschung bis zur Zulassung und Vermarktung gesteckt. Und zum anderen – und das ist wichtiger – ist die Zeit bis zur Heilung oder auch das Warten auf neue, bessere und effektivere Therapien für kranke Menschen entscheidend.

Was wäre also, wenn sich in Zukunft die Entwicklungsphasen bis zur Zulassung oder bis zur Verfügbarkeit deutlich verkürzen ließen? Und wenn Erforschung und Praxiseinsatz miteinander verschmelzen würden?

Nehmen wir an, der eben genannte Grad an Technologisierung steigt weiter und Geräte am oder im Körper des Patienten erheben in Echtzeit sämtliche relevante medizinische Daten zu einer Vielzahl an Parametern. Diese entstehen zusätzlich zur Datenfülle, die noch durch den Behandler des Patienten generiert wird oder bereits in ihrer elektronischen Patientenakte (ePA) vorliegt und in die klinische Studie einfließt. Und ich gehe mal davon aus, dass die ePA irgendwann bis in die Tiefe der Genomics eindringt.

Eine so umfangreiche Datenerhebung in Echtzeit erfordert eine smarte, sehr schnelle Prozessierung. Hier treten bereits heute Themen wie Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen auf die Bühne. Die Behandlung von Patienten und Patientinnen werden also Teil eines sehr dynamischen Big Data Forschungsprojektes in klinischen Studien.

Natürlich zielen wir weiterhin auf die Kernfragen der medizinischen Forschung ab: Wirksamkeit und Sicherheit. Aber anstatt etwa initial auf Basis einer Fachinformation oder dem Label, also der Zulassung eine Therapieentscheidung zu treffen, passiert dies quasi permanent durch einen KI basierten companion. Also einen Begleiter, der von der Diagnose bis zur Heilung auf Basis meiner Live-Daten aus Sensoren eine individuelle Vorhersage und schnelle Entscheidungen trifft. Damit werden Maßnahmen im Zusammenspiel mit den behandelnden Ärzten aber auch den Behörden koordiniert. Vorstellbar wären zukünftig also hoch individuelle und sehr agile Zulassungen für Arzneimittel – quasi in Echtzeit.

 

Welche Herausforderungen kommen auf die Branche in Zukunft zu?

Die Rolle aller Akteure im Gesundheitswesen, etwa die der Behandler aber auch die der CROs wird sich verändern. Pharmaunternehmen werden mit Tech-Unternehmen verschmelzen. Das alles wird viel Umbruch erzeugen. Heute nehme ich die Branche noch als sehr konservativ und langsam wahr. Das ist der strengen Regulierung geschuldet, schließlich arbeiten wir auch in einem besonders sensiblen Bereich. Dennoch bleibt das eine Herausforderung, wenn die Branche bei der Geschwindigkeit der restlichen Welt nicht mithält. In der Medizinforschung wurden gerade erst Videochats zur Authentifizierung oder elektronische Unterschriften eingeführt. Das ist aber wenig innovativ in Anbetracht des Paketzustellers, der das schon seit Jahren praktiziert.